Publikationen und Medien in China
Als die Demokratiebewegung im Herbst 1978 mit ihren kritischen Wandzeitungen und Zeitschriften und den Aktivitäten unabhängiger Künstler und Autoren begann, war in den "offiziellen" chinesischen Medien (wie dem KP-Zentralorgan "Volkszeitung" oder den großen Regionalzeitungen) nichts darüber zu lesen. Die Zeitungen und Zeitschriften unterstanden allesamt noch der KP Chinas und ihrer "Propaganda-Abteilung" bzw. den von Staat und Partei geführten "Massenorganisationen" wie der Jugendliga oder den offiziellen Künstler- und Autorenverbänden.
Parallel zu den öffentlich verbreiteten Printmedien existierte in China allerdings (so wie auch in anderen kommunistischen Staaten) ein kompliziertes Netz "interner" (neibu 内部) Publikationen, die nur für einen kleineren oder größeren Kreis ausgewählter Funktionäre oder anderweitig qualifizierter Empfänger zugänglich waren (und immer noch sind). In solchen Publikationen wurde sehr wohl auch über Aktivitäten des "Pekinger Frühling" und regimekritische Tendenzen berichtet, abgestuft nach der Exklusivität des jeweiligen Leserkreises, d.h. höchste Partei- und Staatskader erfuhren mehr als die Masse kleinerer Basisfunktionäre.
Auf diesen Printerzeugnissen war auch oft eine Vertraulichkeitsstufe angegeben, von "Interne Publikation - sorgfältig aufbewahren" (für Massenerzeugnisse mit großer Auflage) bis zu "geheim" (jimi 机密) und "streng geheim" (juemi 绝密), wobei der Übergang vom periodisch erscheinenden Massenmedium zu einem partei- oder behördeninternen Dokument oft fließend ist.
Die größte dieser internen Publikationen sind die "Referenz-Nachrichten" (Cankao Xiaoxi 参考消息), eine täglich erscheinende kleinformatige Zeitung mit einer Auflage von zeitweise 10 Millionen Exemplaren, in der (meist stark gekürzte und redigierte) Auszüge aus internationalen Medien gebracht werden. Funktionäre, Parteimitglieder und andere interessierte Personen durften diese Zeitung mit entsprechender Genehmigung abonnieren, für Ausländer war sie ausdrücklich verboten. Heute ist sie übrigens frei erhältlich.
Die "Referenz-Nachrichten" druckten Berichte internationaler Medien nach, in denen gelegentlich auch die kritischen Wandzeitungen, die "Mauer der Demokratie" oder die chinesische "Demokratiebewegung" erwähnt wurden. Immer wieder finden sich auch Hinweise und Details über die Dissidentenbewegung in den kommunistischen Staaten Osteuropas (die man in China damals als Opposition gegen den sowjetischen "Sozialimperialismus" interpretierte), z.B. auch auf die unabhängige polnische Gewerkschaft "Solidarnosc" oder die "Charta77" in der damaligen Tschechoslowakei.
Aus den wenigen im Ausland bekannt gewordenen Exemplaren von restriktiveren internen Medien (z.B. einigen Nummern der "Lage-Zusammenfassung" oder einer von der "Chinesischen Jugendzeitung" publizierten vertraulichen Zeitschrift "Die Lage der Jugendbewegung") lässt sich ersehen, dass höhere Funktionäre sehr wohl über Details der Demokratiebewegung gut informiert waren, dass manchmal sogar die Absicht erkennbar ist, unter dem Deckmantel kritischer Berichte die Ideen der Reformbefürworter zu verbreiten.
So wie bei Zeitungen und Zeitschriften gibt es auch "interne" Buchpublikationen, die nur für einen ausgewählten Leserkreis bestimmt sind. Alle großen Buchläden haben abgetrennte Regale mit sogenannten "Neibu"-Ausgaben, für deren Erwerb man eine Bescheinigung der Arbeitsstelle oder einen Ausweis, der den Funktionärsrang bestätigt, vorweisen muss.
In den Interviews mit den Akteuren der Demokratiebewegung werden mehrere Publikationen osteuropäischer Dissidenten erwähnt, die in chinesischer Übersetzung verfügbar waren und auch die Ideen der chinesischen Bürgerrechtsbewegung beeinflusst haben: Neben dem berühmten Buch des jugoslawischen Kommunismus-Kritikers Milovan Djilas ("Die Neue Klasse. Eine Analyse des kommunistischen Systems") sind das auch Werke des sowjetischen Schriftstellers Alexander Solschenizyn, der Menschenrechtsaktivisten Roy und Schores Medwedjew oder des tschechoslowakischen Reformökonomen Ota Šik ("Der Dritte Weg"). Ins Chinesische übersetzt wurde damals auch "Nachtfrost: Erfahrungen auf dem Weg vom realen zum menschlichen Sozialismus" von Zdeněk Mlynář, KP-Sekretär zur Zeit des "Prager Frühlings". Das Buch erschien erstmals 1978, im tschechischsprachigen Original und in der chinesischen Ausgabe lautet der Titel "Frost aus dem Kreml".
In den offiziellen und öffentlichen Zeitungen und Zeitschriften wie der "Volkszeitung" (Renmin Ribao 人民日报) finden kritische Wandzeitungen und die Demokratiebewegung nur eine kurze Zeitlang Erwähnung, nachdem sich der Parteiführer Deng Xiaoping (formal damals nur Stellvertretender Premier und Vize-Parteichef, aber de facto der mächtigste Politiker) im November 1978 in mehreren Gesprächen mit ausländischen Politikern und Journalisten positiv über die Duldung kritischer Meinungen und Wandzeitungen geäußert hat.
Auch im Zuge der Freilassung und Rehabilitierung der Li-Yizhe-Gruppe in Kanton (Guangzhou) Anfang 1979 werden in einzelnen Medien deren Ideen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit positiv dargestellt, Kritik an den Exzessen der "Kulturrevolution" und der Mao-Ära wird auch in der Parteipresse Raum gegeben.
In weiterer Folge (etwa ab März 1979) berichten die regulären Medien nur mehr wenig (und wenn, dann kritisch-negativ) über die Demokratiebewegung. So wird die Festnahme von Aktivisten kurz vermerkt, auch Gerichtsprozesse und Urteile (etwa gegen Fu Yuehua oder Wei Jingsheng) werden in propagandistischer Weise aufgegriffen. Ebenso erwähnt werden in den Zeitungen die Dekrete und Anordnungen der Behörden, die Wandzeitungen reglementieren oder regimekritische Aktivitäten untersagen, offenbar bewusst nicht allzu ausführlich, um in der Bevölkerung keine Debatten oder Gegenreaktionen auszulösen.
Die pluralistische Wahlbewegung an den Hochschulen im November 1980 wird in den offiziellen Medien überhaupt nicht mehr erwähnt.
Über Literaten und die Avantgardekunst-Bewegung gibt es zumindest ein begrenztes Maß an Berichterstattung, kaum in der Tagespresse zwar, aber doch in etwas ausführlicheren Artikeln in der Kunstzeitschrift "Meishu" und in einigen anderen Magazinen. Dabei stehen die neuen Kunsttrends im Mittelpunkt, ohne den politischen Kontext (z.B. die Verbindungen zu den Aktivisten des "Pekinger Frühling" oder die gemeinsame Demonstration für politische und künstlerische Freiheit am 1. Oktober 1979) zu erwähnen.
All dies gilt auch für Buchpublikationen und wissenschaftliche Arbeiten über Zeit- oder Kunstgeschichte. Über chinesische Avantgardekunst oder die neuen literarischen Strömungen. die aus der unabhängigen Zeitschrift "Jintian" (Today) kamen, kann in den 1980er-Jahren durchaus berichtet werden. Immer wieder erscheinen Artikel über einzelne Künstler wie Ma Desheng, Huang Rui oder Wang Keping, wobei auch hier der politische Kontext ausgespart bleiben muss. Als Buch (oder eher dünne Broschüre) erschien in der Provinz Hunan die einzige Monografie über die "Sterne"-Gruppe (Yi Dan: Xingxing lishi [Die Geschichte der Sterne]. Changsha 2002), sonst bleibt es bei kurzen Erwähnungen in verschiedenen Anthologien.
Schon 1981 gibt es an der Peking-Universität an der Abteilung für Geschichte den Versuch, eine zusammenfassende Darstellung und Materialiensammlung zur pluralistischen Wahlbewegung von 1980 zu veröffentlichen, was aber von der Universitätsleitung unterbunden wird. Es bleibt bei einer in kleiner Auflage vervielfältigten Broschüre, die dann 1990 von den beiden erfolgreichen Kandidaten Hu Ping und Wang Juntao unter dem Titel "Kaituo - Bei Da Xue Yun Wen Xian" (Preparing the ground – contributing to the students‘ movement at Peking University) in Hongkong als Buch publiziert wird.
Auch in den 2000er-Jahren ist es praktisch unmöglich, in China über die politische Bewegung des "Pekinger Frühling" zu publizieren oder an öffentlichen Institution zu forschen. Ein anschauliches Beispiel ist ein 2008 u.a. vom Schriftsteller Bei Dao im Pekinger Verlag "Sanlian Shudian" herausgegebener Erinnerungsband an die 1970er-Jahre, in der ein Beitrag des Malers Yan Li nur stark zensuriert abgedruckt ist, während in einer parallel erschienenen Hongkonger Ausgabe (Oxford University Press) des gleichen Buches ausführlich und auch mit Fotos die schon erwähnte Demonstration am 1. Oktober 1979 beschrieben wird.
Dennoch gibt es einige Versuche in China, die Zeit des "Pekinger Frühling" aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Doch selbst in großen zeitgeschichtlichen Überblicken wird die damalige Demokratiebewegung höchsten kurz gestreift, meist sogar völlig ausgespart. Der bekannte Historiker und Journalist Yang Jisheng (杨继绳) etwa hat zwar in seinem Werk "Die Ära Deng Xiaopings", das im Verlag "Zhongyang Bianyi Chubanshe" erschienen ist (Peking 1998) über sechs Seiten lang in sachlicher Sprache die Wandzeitungen, die "Mauer der Demokratie", die unabhängigen Zeitschriften oder die Kritik an Mao beschrieben. In späteren Auflagen, so Yang in einem persönlichen Gespräch, wurde u.a. dieses Kapitel stark zensuriert.
Die ausführlichste Darstellung und Bewertung der Demokratiebewegung findet sich in einem vom offiziellen Verlag für die KP-Parteigeschichte herausgegebenen Werk über die Wendejahre nach Maos Tod (Cheng Zhongyuan, Li Zhenghua, Wang Yuxiang: Dramatische Jahre, China 1976-1981, Zentraler Dokumenten-Verlag, Peking 2008, auf chinesisch). Darin wird - in durchaus kritischem Ton - die Wandzeitungsbewegung von 1978/79 geschildert, einschließlich der Forderungen nach mehr Demokratie und einer Infragestellung des politischen Monopols der KP Chinas. Es wird auch die Tatsache erwähnt, dass die Bewegung weit über die Hauptstadt Peking hinaus wirkte, und dass hochrangige Parteifunktionäre mit ihr sympathisierten.
Die ausführlichste Darstellung und Bewertung der Demokratiebewegung findet sich in einem vom offiziellen Verlag für die KP-Parteigeschichte herausgegebenen Werk über die Wendejahre nach Maos Tod (Cheng Zhongyuan, Li Zhenghua, Wang Yuxiang: Dramatische Jahre, China 1976-1981, Zentraler Dokumenten-Verlag, Peking 2008, auf chinesisch). Darin wird - in durchaus kritischem Ton - die Wandzeitungsbewegung von 1978/79 geschildert, einschließlich der Forderungen nach mehr Demokratie und einer Infragestellung des politischen Monopols der KP Chinas. Es wird auch die Tatsache erwähnt, dass die Bewegung weit über die Hauptstadt Peking hinaus wirkte, und dass hochrangige Parteifunktionäre mit ihr sympathisierten.
Eine "offizielle" Darstellung des "Pekinger Frühlings"
Die entsprechenden Details stammen wohl aus den verschiedenen internen Berichten, die auch den Autoren vorlagen (Zitate nach der Ausgabe von 2008, S. 292-297, dort fehlende Namen und Passagen sind in eckiger Klammer hinzugefügt, sie stammen aus einer erweiterten Ausgabe, deren genaue Publikationsdaten noch geklärt werden müssen). Hier sind die wichtigsten Passagen, die die Demokratiebewegung beschreiben:
[Nach unvollständigen Statistiken] haben sich in den Städten Peking, Shanghai, Tianjin, Guizhou, Wuhan und Guangzhou damals über 80 Gruppen organisiert, darunter auch einige, die von einer kleinen Zahl übler Personen kontrolliert und gesteuert wurden. Mit den Schlagworten "Demokratie", "Freiheit" oder "Menschenrechte" organisierten solche von üblen Typen organisierten Gruppen Versammlungen und Kundgebungen, sie brachten Parolen und Wandzeitungen an und verteilten Flugblätter, druckten Zeitschriften, verbreiteten Manifeste und Programme und stellten Losungen und Forderungen auf. Durch ihre Aktivitäten verletzten sie Verfassung und Gesetze, sie widersprachen der Führung durch die Kommunistische Partei und dem System des Sozialismus, gefährdeten die Sicherheit des Staates und bedrohten die Interessen des Volkes.
Die "Xidan-Demokratiemauer", die ab Oktober 1978 in Peking entstanden war, wurde zur Basis ihrer propagandistischen Aktivitäten.
Als China und die USA zu Jahresbeginn 1979 diplomatische Beziehungen aufnahmen, wurde an der "Xidan-Demokratiemauer", unter den Pseudonym "ein junger chinesischer Arbeiter", ein Brief an den US-Präsidenten Jimmy Carter angebracht, der den Westen verherrlichte und China in den Schmutz zog. Der Brief ersuchte Präsident Carter um Unterstützung, um in die USA reisen zu können. [Er schrieb, "ich möchte selbst sehen, wie Ihr Land auf so magische Weise so viel Wohlstand geschaffen hat", was das Geheimnis sei, "dass die Menschen so frei sind und dennoch 'Stabilität und Zusammenhalt' bewahren können"; und er fügte hinzu, "weil es in unserem Leben keine Vorbilder gibt, können alle schönen Dinge abgewürgt werden."]
Am 6. Januar 1979 hat Ren Wanding zusammen mit sechs weiteren Personen ein händisch verfertigtes Flugblatt mit dem Titel "Chinesisches Manifest der Menschenrechte" verbreitet, das die Gründung einer sogenannten "Chinesischen Liga für Menschenrechte" bekanntgab. Eigenhändig übergab er dieses 12-Punkte-Programm ausländischen Journalisten und forderte offen ausländische Einmischung in die chinesische Innenpolitik. Es hieß, "unsere Liga fordert Menschenrechts-Organisationen und die Öffentlichkeit auf der ganzen Welt zur Unterstützung auf", und der US-Präsident wurde ersucht, sich um die Menschenrechte in China "zu kümmern".
In Peking gab es eine Arbeiterin, die zusammen mit einigen Beschwerdeführern eine "Beschwerdeführer-Vereinigung des Volkes" organisierte. Unterstützt durch weitere Gruppen demonstrierten sie auf dem Tiananmen-Platz, unter einem Transparent, auf dem "Gegen Hunger, gegen Repression, wir wollen Menschenrechte, wir wollen Demokratie" geschrieben stand. Zwischen mehreren tausend Schaulustigen marschierten sie zum Xinhua-Tor [Eingang zu jenem Teil des alten Kaiserpalastes, wo seit 1949 die politische Führung residiert; Anm. d. Übers.], um ihre Forderungen zu überreichen, und blockierten eine Stunde lang den Verkehr. Als die Pekinger Stadtregierung am 18. Januar diese Arbeiterin festnehmen ließ, veröffentlichte die "Chinesische Liga für Menschenrechte" zusammen mit weiteren sechs Gruppen und Zeitschriften eine "Gemeinsame Erklärung". Sie planten eine große Protestversammlung an der Xidan-Demokratiemauer, um danach zum Zhongnanhai [Regierungsviertel; d. Übers.] zu ziehen um ihre Forderungen zu stellen.
An der Xidan-Mauer tauchten nicht nur immer mehr Wandzeitungen auf, sondern auch einfach produzierte Zeitschriften, darunter "Erkundungen" (Tansuo), das "Forum 5. April", "Wissenschaft-Demokratie-Rechtssystem" und andere. Bis April wuchs die Zahl der in Peking privat herausgegebenen Publikationen auf zwanzig. Auf Wandzeitungen und in den Magazinen wurden auch viele vertrauliche Interna publiziert, Wei Jingsheng und seine Zeitschrift "Erkundungen" sind dafür ein herausragendes Beispiel.
Wei Jingsheng war ein Arbeiter der Pekinger Parkverwaltung und Chefredakteur der händisch gedruckten Zeitschrift "Erkundungen". Durch das Verfassen und Verbreiten von Artikeln und Zeitschriften zwischen Dezember 1978 und März 1979 hetzte er zum Sturz der Regierung der Diktatur des Proletariats in China und der sozialistischen Ordnung auf. Er verleumdete den Marxismus-Leninismus und die Mao-Zedong-Ideen als "Medizin, die noch raffinierter ist als die eines Quacksalbers", er beschimpfte unser staatliches System der Diktatur des Proletariats als "feudalistische Alleinherrschaft unter dem Deckmantel des Sozialismus", und er wiegelte die Menschen dazu auf, "dem von den Diktatoren verkündeten Slogan 'Stabilität und Zusammenhalt' keinen Glauben mehr zu schenken", "ihren Zorn auf das verbrecherische Regime zu lenken, das das Volk in die erbärmliche Lage gebracht hat" und er hetzte dazu, "diesen Alten die Macht zu entreißen", also der legalen Regierung, die durch den 5. Nationalen Volkskongress bestellt war. Weis Artikel wurden an der Xidan-Mauer publiziert, aber auch in der Zeitschrift "Erkundungen" abgedruckt, die in Peking, Tianjin und Guangzhou ausgehängt, verteilt und verkauft worden ist. Die Leute von "Erkundungen" und anderen Organisationen versuchten auch auf verschiedene Weise mit Ausländern in Kontakt zu kommen, um mit ausländischer Unterstützung ihre Ziele zu erreichen. Jedes Mal, wenn sie eine neue Wandzeitung aufhängten, informierten sie telefonisch Ausländer, damit diese kommen und die Wandzeitungen lesen. Als China [im Februar 1979] seinen viertägigen Erziehungsfeldzug gegen Vietnam unternahm, gab Wei Jingsheng militärische Informationen an Ausländer weiter.
Weiters kamen acht Werktätige aus Guiyang nach Peking, um dort die Gründung einer "Gesellschaft für Aufklärung" bekanntzugeben. Ihre Zentrale war in Guiyang, in Peking gab es eine Zweigstelle, zuletzt waren über dreißig Leute dabei. Sie propagierten nach Kräften sogenannte "Demokratie", Freiheit" und "Menschenrechte" im Sinne der kapitalistischen Welt, trafen sich oftmals mit ausländischen Journalisten, und schrieben in Form einer Wandzeitung an Jimmy Carter. Darin bezeichneten sie den US-Präsidenten als ihren "Retter" und baten um einen "Besuch" in den USA. Im März gründeten einige Anführer der "Gesellschaft für Aufklärung" in Peking eine sogenannte "Tauwetter-Gesellschaft", in einem eigenen Manifest wandten sie sich gegen die Diktatur des Proletariats, die die Menschheit spalte, und verbreiteten, dass man "den Klassenkampf, gewalttätige Revolutionen und Diktaturen jedweder Art abschaffen muss".
In Guangzhou wurde der zentrale Abschnitt der Peking-Straße zu einem Ort für Wandzeitungen und händisch hergestellte Publikationen. In der Zeitschrift "Stimme des Volkes" fanden sich Kommentare gegen die Kommunistische Partei und gegen den Vorsitzenden Mao, zum Beispiel stand dort, "fürchten wir uns nicht davor in Stücke gerissen zu werden, wenn wir es wagen, die Kommunistische Partei von ihrem hohen Ross zu holen".
Auch in Wuhan existierte eine Mauer der Demokratie, später auch eine "Studiengesellschaft 5. April", nach dem Vorbild ähnlicher Organisationen in Peking.
In Shanghai gab es eine sogenannte "Demokratie-Diskussionsgruppe", die sich auch "Gesellschaft zur Wiederbelebung" nannte. Einige Mitglieder beschimpften den Vorsitzenden Mao als "Hitler, der schlimmer als Hitler" ist, und sie spannten ein großes Transparent auf, das den Vorsitzenden Mao beleidigte; sie trommelten, "die Diktatur des Proletariats ist die Quelle allen Übels", und sie verlangten "entschlossene und nachhaltige Kritik an der Kommunistischen Partei Chinas". Sie verkündeten, dass sie den Kapitalismus für besser hielten als den Sozialismus, daher seien nicht die Vier Modernisierungen vordringlich, sondern es ginge darum, sogenannte "Sozialreformen" in ihrem Sinne umzusetzen, also nichts anderes als kapitalistisch zu werden. ... Einige aus ihrem Kreis wollten im Ausland "politisches Asyl" erlangen, und manche kontaktierten sogar heimlich Tschiang Kaischeks Spionage-Organisation und planten Sabotageaktionen.
In Shanghai gab es noch eine sogenannte "Gesellschaft zur Förderung einer sozialistischen Demokratie", die schimpfte, dass "die Kommunistische Partei heute keine Autorität mehr hat", dass "die Menschen den Sturz der Kommunistischen Partei wünschen", dass es "eine Änderung des Systems braucht" und dass "China kapitalistisch verwaltet werden muss". Weiters sprachen sie davon, dass man "die aktuellen gesellschaftlichen Widersprüche nutzen muss, um einen Keil zwischen Regierung und Volk zu treiben, um das gesellschaftliche/sozialistische System ein für alle Male zu zerstören".
In Peking bemühte sich auch das dem Reformflügel der chinesischen KP nahestehende Magazin "Frühlings- und Herbstannalen" (Yanhuang Chunqiu 炎黄春秋) in einzelnen Artikeln, die Zeit der politischen Reformdebatten zu thematisieren und über die damalige Rolle bekannter Politiker und Funktionäre (wie Hu Yaobang, Zhao Ziyang oder des Chefredakteurs der "Volkszeitung", Hu Jiwei) zu berichten. 2016 wurde die Zeitschrift von der Propagandaabteilung der KP - nicht zuletzt wegen ihrer differenzierten zeitgeschichtlichen Beiträge - wieder stärker an die Kandare genommen, nach einem Protest der Redakteure wird das Magazin seither mit einer völlig neuen Mannschaft und anderen Themenschwerpunkten weitergeführt.
Die meisten einschlägigen Bücher von Autoren vom Festland können allerdings nur in Hongkong oder Taiwan verlegt werde, sie sind in der Volksrepublik China nicht erhältlich und werden auch immer wieder vom chinesischen Zoll beschlagnahmt.
Wichtige Arbeiten zum "Pekinger Frühling" hat vor allem der (2015 leider früh verstorbene) Aktivist Chen Ziming geleistet, der Dokumente und Erinnerungen über die Tiananmen-Bewegung von 1976 und die Wahl-Auseinandersetzungen an den Hochschulen im Jahr 1980 zusammengetragen und (in Hongkong) publiziert hat, etwa die zwei Bände von "Xianzheng de mengya. 1980 nian jingxuan yundong (Aufkeimender Konstitutionalismus. Die Wahlkampagne im Jahr 1980, Hongkong 2013.)
In Hongkong ist 2010 auch ein Buch von Li Zhengtian über die Geschichte der Li-Yizhe-Gruppe in Kanton erschienen (The Quest for Democracy/Li Yizhe shijian. Wenge zhong yichang cong xia er shang de minzhu yu fazhi de suqiu/The case of Li Yizhe. A grass-root demand for democracy and legality during the Cultural revolution).
An der Peking-Universität hat der Historiker Yin Hongbiao über die intellektuellen Strömungen unter chinesischen Jugendlichen während und nach der "Kulturrevolution" geforscht, auch seine Monografie "Shizongzhe de zuji. Wenhua Da Geming qijian de qingnian sichao (Fußstapfen der Vermissten. Ideen der Jugend während der Großen Kulturrevolution) konnte nur in Hongkonggedruckt werden (2009) . Zeitgeschichtliche Forschungen direkt zur Demokratiebewegung waren ihm an seiner Universität nicht möglich.
Nur im Bereich der Avantgardekunst und -literatur war in China selbst eine gewisse Aufarbeitung möglich. U.a. hat der Maler Huang Rui Material zusammengetragen, 2015 (?) organisierte er zusammen mit Freunden in einem privaten Museum beim Künstlerbezirk "798" in Peking eine umfassende Retrospektive zu den "Sterne"-Ausstellungen 35 Jahre zuvor. Dabei wurden nicht nur Kunstwerke, sondern auch Ausgaben der Zeitschrift "Jintian" (Heute), Fotos und Dokumentarfilm-Szenen von damals (einschließlich der umstrittenen politischen Aktivitäten) gezeigt.