Verbote, Schikanen, Festnahmen und polizeiliche Maßnahmen ...
... gegen einzelne Akteure der Demokratiebewegung hat es schon von Beginn an gegeben, spätestens seit der Festnahme Wei Jingshengs am 25. März 1979 war die Demokratiebewegung auch zu einer Kampagne für die Freilassung Inhaftierter und für freie Meinungsäußerung und ungestörte politische Betätigung geworden.
Deng Xiaoping, der seine Macht als Parteiführer in den Monaten seit Beginn der Reformen stetig ausgebaut und gefestigt hat (ohne auch formal das Amt eines Vorsitzenden oder Generalsekretärs auszuüben), hat offenbar seine Einstellung zu den Demokratie-Aktivitäten gewandelt. Hatte er anfangs die "Mauer der Demokratie" gegenüber ausländischen Korrespondenten etwa als eine "gute Sache" bezeichnet, und betont, man brauche keine Angst vor Meinungsäußerungen zu haben, spricht er nun in internen Debatten (wie etwa im März 1979 auf der "Konferenz über Theoriearbeit" von Feinden des Sozialismus und Gefahren für die Stabilität des Landes. Immer öfter verweist er im Laufe des Jahres 1979 auf die "Vier Grundprinzipien" für politische Meinungsäußerungen, die es untersagen, etwa die führende Rolle der KP, den Marxismus-Leninismus oder auch die Lehren Mao Zedongs in Frage zu stellen.
Die Staatsmedien zitieren Dengs Aussagen in ihren Analysen und Leitartikeln, meist ohne direkten Verweis auf ihn. Doch es ist klar, dass das Wort des neuen mächtigsten Mannes im Staat (auch wenn er selbst kein Spitzenamt ausübt!) unantastbar geworden ist, fast so wie einst die Worte Maos. Auch die Verfassungsänderung zur Abschaffung der "Vier großen Freiheiten" (die u.a. Meinungsäußerungen und und das Verfassen von Wandzeitungen betreffen) geht direkt auf Deng zurück.
Die bekannten Reformer in der Parteiführung wie etwa Hu Yaobang, der 1980 zum Generalsekretär der KP aufsteigt, wagen es nicht mehr, eventuelle Sympathien für die Demokratiebewegung zu zeigen. Als Wang Ruoshui (王若水), einer der Chefredakteure des KP-Organs "Volkszeitung" (und Vertrauter von Hu), 1980 einmal den führenden Demokratie-Aktivisten Xu Wenli zu einem Gespräch empfängt, bekommt er dafür schon tags darauf einen heftigen Rüffel persönlich von Deng Xiaoping, mit der Frage, wo Wang denn politisch nun wirklich stehe.
Repression im April 1981
Repression im April 1981
Nach der Verfassungsänderung, die die "Vier Grundprinzipien" zur strengen Norm aller politischen Debatten gemacht hat, holt die die Führung unter Deng Xiaoping zum entscheidenden Schlag gegen die Demokratiebewegung aus: Am 20. Februar 1981 wird die "Weisung des Zentralkomitees und des Staatsrates zum Umgang mit illegalen Publikationen und illegalen Organisationen und andere Fragen" (中共中央、国务院关于处理非法刊物非法组织和有关问题的指示), auch bekannt unter dem Titel "Dokument Nr. 9", in den Staats- und Parteiorganisationen verbreitet, zunächst aber nicht der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im ganzen Land soll gegen "illegale" Gruppen und Printerzeugnisse vorgegangen werden, Rädelsführer seien zu verhaften und "nach dem Gesetz" zu bestrafen. (Eine Version des Dokuments findet sich heute auf verschiedenen chinesischsprachigen Webseiten, u.a. als Faksimile auf der Suchmaschine "Baidu", auf anderen offiziellen Seiten ist es nicht mehr zugänglich.)
So wie angekündigt passiert es auch. Im April werden im ganzen Land mehrere Dutzend Demokratieaktivisten und Redakteure unabhängiger Zeitschriften festgenommen, den meisten wird in den folgenden Monaten der Prozess gemacht. Die bekanntesten werden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, darunter Xu Wenli, Wang Xizhe aus Kanton, Sun Weibang (孙维邦) aus Qingdao und Lü Honglai (吕洪来) aus Tianjin. Xu, Wang und Sun und einigen weiteren Aktivisten wird in den Prozessen auch das Verbrechen der Gründung einer "konterrevolutionären Vereinigung" vorgeworfen. Vom 10.-12. Juni 1980 haben sie sich im Pekinger Stadtteil Ganjiakou (甘家口) getroffen, um die Gründung einer politischen Oppositionspartei vorzubereiten.
1982 wird Xu Wenli zu 15 Jahre Haft und dem Entzug seiner politischen Rechte für weitere vier Jahre verurteilt. Die weiteren Urteilsbegründungen: "Konterrevolutionäre Propaganda" und "Aufhetzung".
Die Demokratiebewegung ist damit gebrochen. Aktivisten, Helfer und am Rande Beteiligte, die nicht direkt ins Visier der Behörden gelangt sind, ziehen sich meist ins Privatleben zurück, oder sie nehmen Gelegenheiten war, eine Zeitlang im Ausland zu verbringen. Dies gilt auch für die meisten in der Bewegung engagierten Künstler.
Von den mehr als 20 Mitgliedern der "Sterne"-Gruppe und der Literaten der Zeitschrift "Heute" wird niemand verhaftet, mit Ausnahme der Malerin Li Shuang (李爽), die eine Beziehung zum französischen Diplomaten Emmanuel Bellefroid eingegangen war und dafür zwei Jahre zur "Umerziehung durch Arbeit" geschickt wird. Aber fast alle wichtigen Kulturschaffenden dieser Gruppen gingen nach Beginn der Repressionswelle ins Ausland, Mang Ke und Wang Keping nach Frankreich, Ma Desheng und Ai Weiwei in die USA, Huang Rui nach Japan.
Entmaoisierung und danach
Das politische Klima in China hat sich gewandelt, aber die Lage bleibt weiter zwiespältig – die ideologische Auseinandersetzung zwischen "Reformern" und "Bewahrern" des revolutionären maoistischen Erbes hält noch einige weitere Jahre an.
Die neue Führung unter Deng Xiaoping versucht die Entwicklung zu kanalisieren und unter Kontrolle zu halten, Wirtschaftsreformen und eine Öffnung für ausländische Technologie und Investitionen voranzuttreiben, aber die Führungsrolle der Kommunistischen Partei nicht in Frage zu stellen. Dazu gehört auch eine begrenzte Abrechnung mit den Exzessen der "Kulturrevolution" und der politischen Persönlichkeit Mao Zedong.
Ende 1980 beginnt vor einem Pekinger Sondergerichtshof ein Prozess gegen Maos engste Mitstreiter, die sogenannte "Viererbande". Dazu gehören Maos Witwe Jiang Qing (江青), der Chefideologe Zhang Chunqiao (张春桥), der Kulturverantwortliche im Zentralkomitee, Yao Wenyuan (姚文元), und der von Mao designierte Nachfolger Wang Hongwen (王洪文).
Nach den Urteilen (Todesstrafe "auf Bewährung" und langjährige Haft) veröffentlicht das Zentralkomitee im Juni 1981 eine umfassende Stellungnahme zu "Fragen der Geschichte" und der Rolle Maos: Mao habe in den 1950er Jahren und in der "Kulturrevolution" schwere Fehler begangen, heißt es darin, er gelte aber weiter als "großer Revolutionär", und an seinen Lehren sei im Prinzip festzuhalten.
Die von der Demokratiebewegung erhobenen Forderungen nach politischem Pluralismus, Meinungs- und Medienfreiheit und Rechtsstaatlichkeit können Anfang der 1980er Jahre kaum mehr öffentlich debattiert werden. Der konservative Vorsitzende der Propagandaabteilung der KP, Deng Liqun (邓力群), initiiert Kampagnen gegen ideologische Abweichungen und "geistige Verschmutzung" (精神污染), wodurch auch literarische und künstlerische Betätigung wieder auf Parteilinie gebracht werden sollen.
Doch die Auseinandersetzungen über Richtung und Umfang politischer (und auch wirtschaftlicher) Reformen hält an. Rund um den neuen KP-Generalsekretär Hu Yaobang und gerade ernannten Regierungschef Zhao Ziyang (赵紫阳), die beide als Vertreter eines Reformflügels gelten, bilden sich formelle und informelle Thinktanks, in denen junge Experten Reformmodelle entwickelten, die sich auch an den Erfahrungen westlicher Länder, auch Taiwans und Südkoreas, orientieren und die auch etliche Ideen der Demokratiebewegung wieder aufgreifen.
In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre spitzt sich die Auseinandersetzungen neuerlich zu, vor allem auch an der Universitäten bilden sich Diskussionszirkel und "demokratische Salons", man schreibt wieder "Wandzeitungen" und organisiert öffentliche Proteste mit ähnlichen Forderungen wie denen der Demokratiebewegung. Auch offizielle Zeitungen wie der "World Economic Herald" (世界经济导报) in Shanghai wagen sich mit Debatten über Freiheiten und Demokratisierung hervor.
Der Konflikt zwischen Hardlinern und Reformern mündet schließlich in den Studentenaufstand auf dem Tiananmen-Platz im Mai und Juni 1989, der ein Vielfaches mehr Menschen mobilisiert als die Bewegung zehn Jahre zuvor. Auch viele nicht inhaftierte oder inzwischen freigelassene Demokratieaktivisten von 1979 schließen sich der neuen Tiananmen-Bewegung an. Nach der blutigen Niederschlagung am 4. Juni 1989 kommt es zu neuen Verhaftungen und einer Absetzbewegung verbliebener Oppositioneller ins Ausland. Deng Xiaoping hat erneut ein Machtwort zugunsten der gewaltsamen Repression gesprochen. Die Reformdebatte ist damit weitgehend erloschen. Und Chinas Aufstieg zur Weltmacht ist das neue Thema, das alle anderen zu überlagern scheint.