Die Vier Grundprinzipien
Deng Xiaopings Haltung zu den kritischen Wandzeitungen und zur Demokratiebewegung hat sich zwischen Oktober 1978 und Ende März 1979 grundlegend verändert - zumindest soweit man das aus öffentlichen und intern verbreiteten Äußerungen nachvollziehen kann.
Im November 1978 hatte Deng in Treffen mit US-amerikanischen bzw. kanadischen Journalisten die Wandzeitungen noch als "gute Sache" bezeichnet und betont, dass man kritische Meinungsäußerungen nicht fürchten müsse. Gegenüber einer Delegation der japanischen Sozialisten ein paar Tage zuvor hatte er ähnliche Anmerkungen gemacht.
Doch drei Monate später hatte Deng seine Position um 180 Grad gewendet. In seiner Rede zum Abschluss des Theorieforums am 30. März (zu der man noch zusätzlich zahlreiche Vertreter aus den Provinzen, aus der Armee und aus den zentralen Behörden in Peking eingeladen hatte) verkündete er die "Vier Grundprinzipien", im wesentlichen ein Festhalten an den marxistisch-leninistischen und maoistischen Lehren und an der alleinigen Führung durch die Kommunistische Partei.
Die entscheidenden Worte in Dengs Rede waren so formuliert:
Die Parteiführung ist der Ansicht, wenn wir in China die Vier Modernisierungen verwirklichen wollen, müssen wir ideologisch und politisch an den Vier Grundprinzipien festhalten, die da lauten: Erstens, wir müssen am sozialistischen Weg festhalten; zweitens, wir müssen an der Diktatur des Proletariats festhalten; drittens, wir müssen an der Führung durch die Kommunistische Partei festhalten; und viertens, wir müssen am Marxismus-Leninismus und an den Mao-Zedong-Ideen festhalten. ... Darüber hinaus gilt es mit großem Einsatz jene geistige Strömung entschlossen zu bekämpfen, die die genannten Vier Grundprinzipien in Zweifel zieht. (nach Cheng Zhongyuan, Dramatische Jahre, S. 301)
Hat nun Deng nun tatsächlich seine Ansichten innerhalb weniger Wochen geändert? Oder war sein Lob für die kritischen Wandzeitungen und die Demokratiemauer mehr taktischer Natur, um konservative Reformgegner in Schach zu halten, oder auch im Zuge der Annäherung an die USA eine gute Stimmung zu verbreiten?
Wir wissen es nicht, es gibt zu wenige Einblicke in Dengs persönliches Denken und Empfinden, aber doch ein paar Indizien, dass Deng Xiaoping in der Frage von Freiheiten und demokratischen Reformen innerlich zerrissen war und in der Tat einen Schwenk vollzogen hat. Er sah sich einerseits als Reformer, unsicher wie weit er gehen konnte oder sollte, aber er war auch ein mit allen Wassern gewaschener KP-Funktionär, der die "Gefahren" liberaler Debatten kannte.
Dengs Gesinnungswandel
Ein paar Hinweise, warum Deng Xiaoping seine ursprünglich liberale Haltung zu solche strikten Prinzipien geändert hat, kennen wir allerdings. Li Honglin (李洪林), damals Leiter der Abteilung für Parteigeschichte im Historischen Museum und ab 1980 ein führender Funktionär der ZK-Propagandaabteilung, war auch einer der Redenschreiber der Parteispitze und 1979 Delegierter des Theorieforums. Er erinnert sich, wie Deng damals seine Meinung gewandelt hat (zitiert nach: Ding Dong e.a.: How China's political reforms of the 80s came to an early end. Hong Kong 2015):
Deng hatte vorab wissen lassen, in einem Informationsgespräch zum Theorieforum Mitte Januar 1979, "es darf keine Tabuzonen geben, keine Verbote" (S. 63). Aber es gab auch Druck auf die Konferenz aus anderer Richtung: Aus Sichuan (übrigens vom damaligen Parteisekretär Zhao Ziyang) und Shanghai kam Kritik, dass die Proteste von den aufs Land verschickten Jugendlichen, die wieder nach Hause wollten, und von Opfern der Kulturrevolution, die ihre Rehabilitierung verlangten, außer Kontrolle gerieten. "Die Befreiung des Denkens geht zu weit, das hat ideologische Verwirrung gestiftet, die Entfaltung der Demokratie geht zu weit, sie hat die gesellschaftliche Ordnung durcheinandergebracht", zitiert Li Honglin damals geäußerten Unmut (S. 64).
Erst nach Mitte März 1979 hat er erfahren, dass nicht - wie zunächst vorgesehen - der Parteivorsitzende Hua Guofeng die Schlussrede halten würde, sondern Deng Xiaoping, der seine Position als einflussreichster Politiker (trotz formal fehlender Ämter) in den Wochen und Monaten zuvor gefestigt hatte. Am 27. März wurde Li - zusammen mit drei anderen - zu Deng Xiaoping gebeten, um die Rede vorzubereiten, die Deng drei Tage später halten sollte. Man lauschte und notierte Dengs Ausführungen, um daraus seinen Redetext zu formulieren. Li erinnert sich:
Am tiefsten überrascht hat mich, dass er nun nicht mehr von einer Befreiung des Denkens sprach, sondern die extreme Demokratisierung der Gesellschaft und die Schwächung der ideologischen Arbeit kritisierte. Er sprach in einem sehr strengen Ton, kurz gefasst meinte er, so kann es nicht weitergehen, das muss korrigiert werden! Jetzt, dreißig Jahre danach, kann ich mich nicht mehr an die genauen Worte Dengs erinnern, nur daran, dass sich der Tenor von Dengs Ausführungen und der Rede, die wir für Hua Guofeng vorbereitet haben, um 180 Grad gewendet hatten. ... Die Rede, die Deng Xiaoping dann gehalten hat, ist die über das "Festhalten an den Vier Grundprinzipien", die alle kennen. ... Deng Xiaopings ursprünglicher Redetext war sogar noch etwas schärfer, der später offiziell publizierte Text war ein wenig abgemildert. Aber nach der Konferenz meinten noch einige Leute, eigentlich wären das "Vier Knüppel" gewesen. (S. 65)
Hu Yaobangs Haltung
Auch Hu Yaobang, der am 3. April eine zweite Abschlussansprache hielt, hat seinen Ton entsprechen Dengs Ausführungen gewandelt, vermerkt Li, auch wenn durchklang, dass er die Delegierten nicht allzu sehr vor den Kopf stoßen wollte. Li Honglin schreibt, er wisse nicht, wo und wie genau diese Entscheidungen gefallen sind, ob es zum Beispiel eine Sitzung des inneren Kreises im KP-Zentralkomitee gegeben habe, aber:
Was ich aber wahrnehmen konnte, war dass es am Anfang recht liberal zuging. Als (Hu) Yaobang und (Hu) Qiamu mit mir gesprochen haben, drückten sie mit Sicherheit nicht ihre eigene Meinung aus, sondern hatten das irgendwann mit (Deng) Xiaoping und Hua Guofeng überlegt, und was sie sagten, vertrat auch die Meinung des Zentralkomitees. Wann ist dieser Wandel also passiert? Das war in der Zeit, als das Forum Pause machte. Damals gab es ein wichtiges Ereignis, nämlich Wei Jingshengs Wandzeitung "Demokratie oder eine neue Despotie", die er am 25. März anbrachte und die Deng Xiaoping persönlich kritisierte. (S. 65)
In einer Fußnote merkt Li Honglin allerdings an, dass diese Wandzeitung nicht der ursprüngliche Grund für Deng Xiaopings Sinneswandel gewesen sein kann, denn Deng hatte schon am 16. März in einer anderen Rede ziemliche Kritik an der "Mauer der Demokratie" und auch am Theorieforum geübt. Deng:
Genau betrachtet gibt es immer noch viel, das der Stabilität und Geschlossenheit entgegensteht. Wir müssen entschlossen das großartige Banner des Vorsitzenden Mao hochhalten, das ist ganz wichtig für die Stabilität und Einheit, da geht es auch sehr um den internationalen Einfluss. Auch in den Medien müssen wir das Banner des Vorsitzenden Mao hochhalten, wir dürfen dieses Banner nicht beschädigen. Wer den Vorsitzenden Mao verleugnet, verleugnet auch die Volksrepublik China und die ganze mit ihr verbundene Geschichte. (S. 65)
Und schon in dieser Rede hatte Deng Wei Jingsheng namentlich attackiert, Wei war diese Kritik zu Ohren gekommen, und seine Wandzeitung neun Tage später war eigentlich eine Reaktion auf diese Deng-Rede, nicht umgekehrt!
Li Honglin berichtet in diesem Zusammenhang auch noch von einer Episode, die sich einige Monate später, nach dem Gerichtsurteil gegen Wei Jingsheng (im September 1979, 15 Jahre Haft) zugetragen hat: Bei einer Begegnung mit Hu Yaobang (mittlerweile Generalsekretär der KP) habe er diesen gefragt, warum das Urteil gegen Wei so hart ausfallen musste? Hu erzählte ihm dann, dass es Peng Zhen war (ein Ex-Bürgermeister von Peking und Opfer der Kulturrevolution), der Deng den Text der Wandzeitung vom 25. März überbrachte und ihn zu seiner harten Reaktion, zur Verhaftung von Wei Jingsheng und letztlich zum Schließen der Xidan-Mauer überredet hat. Peng Zhen habe dabei nicht nur seine persönliche Meinung, sondern auch die Stimmung unter anderen altgedienten Parteiführern wiedergegeben. Hu Yaobang soll aber hinzugefügt haben: "Ich war nicht dafür, dass man ihn verhaftet. Man hätte eine sanftere Methode, die eher belehrend wirkt, wählen sollen." (S. 66)
Unmut über Deng Xiaopings Rede
Zurück zur Theoriekonferenz, wo man Deng Xiaopings Rede zwei Tage lang debattierte. Zumindest bei einigen Delegierten stießen die Dengs "Vier Grundprinzipien" auf offene Kritik, berichtet Cheng Zhongyuan (S. 303-304):
Die von Deng Xiaoping in seiner Rede vermerkten Mängel und Unzulänglichkeiten in der Theoriearbeit stießen auf unterschiedliche Meinungen. In seinem Referat hat Genosse Deng Xiaoping gemeint, die ideologische Theoriearbeit wäre seit dem Dritten Plenum nicht straff genug gewesen, der Schritt nicht schnell genug. Man habe sich zu wenig bemüht nach vorne zu blicken, einige historische Fragen, die auf dem Dritten Plenum behandelt wurden, müsse man äußerst behutsam angehen, keinesfalls übereilt. Ein Teil der Genossen fand die Umsetzung zu wenig entschlossen und umfassend. Die meisten fanden diese Kritik berechtigt, manche sprachen von einem Ansporn, alle versprachen sich in Zukunft zu bemühen, da gab es keine großen Unterschiede.
Die wichtigste und grundlegende Meinungsverschiedenheit in den Diskussionen entstand um die Frage, was denn die "Hauptgefahr" sei. Einzelne versteiften sich sogar auf diese Frage, sie waren mit der Forderung Deng Xiaopings nach einem Festhalten an den Vier Grundprinzipien nicht einverstanden.
Im Briefingpapier einer Gruppe hieß es: Ist es wirklich so, dass die wichtigste Gefahr derzeit von Unruhestiftern und rechten Tendenzen wie der "Chinesischen Gruppe für Menschenrechte" oder der "Demokratie-Diskussionsgruppe" ausgeht, oder doch nicht eher von einer "Vereinigung zum Studium des Marxismus-Leninismus und der Mao-Zedong-Ideen", die meint, das Dritte Plenum sei eine Machtrestauration, und von revisionistischen "linken" Tendenzen? Eine solche Einschätzung müsse sorgfältig überlegt werden. Und es sei anzumerken, dass das Aufkommen linksextremer Phänomene in der Partei und "linker" Tendenzen unter dem Mantel der "Verteidigung" des Marxismus-Leninismus und der Mao-Zedong-Ideen noch mehr verblenden könnten. Dass in der Gesellschaft eine kleine Gruppe gegen den Sozialismus, die Diktatur des Proletariats und gegen reaktionäre Elemente in der Kommunistischen Partei ist, könne man natürlich schwer verhindern.
Zheng Zhongyuan und die anderen Autoren des erstmals 1998 veröffentlichten Buches versuchen dann darzustellen, dass die Kritik an Deng Xiaopings Rede hauptsächlich von Personen im Umfeld der "Volkszeitung" stammte, die Jahre später im Zuge der Anti-Liberalismus-Kampagnen bzw. der Tiananmen-Ereignisse von 1989 ihre Posten verloren haben, also einer ohnehin schon "verdächtigen" Gruppe:
Ein Genosse [Hu Jiwei] widersprach Deng Xiaopings Einschätzung: "Was letztlich das Haupthindernis ist und die Hauptgefahr darstellt, muss natürlich untersucht werden." "Genosse (Deng) Xiaoping hat in seiner Rede jedoch die erste Tendenz vorangestellt, doch in seiner gesamten Rede darüber nicht mehr gesprochen, während er die zweite Strömung zum wichtigsten Punkt und Hauptinhalt seiner ganzen Rede machte. Diese zweite Tendenz muss natürlich, so meine ich, auch beachtet und sorgfältig einer Lösung zugeführt werden, aber im Vergleich zur ersten Tendenz ist sie weniger gefährlich und zweitrangig. Was meiner Ansicht nach den gefährlichsten und hauptsächlichsten ideologischen Trend darstellt, ist die fälschliche Ansicht, dass die zentrale Führung nach der Zerschlagung der "Viererbande" und ganz besonders seit dem Dritten Plenum eine politische Linie eingeschlagen habe, die nicht dem Marxismus-Leninismus und den Mao-Zedong-Ideen entspricht." [Er teilte nicht Deng Xiaopings Einschätzung, sondern war der Ansicht] "Diese Tendenz der Ablehnung der Vier Grundprinzipien ... stellt bei weitem nicht eine Gefahr dar, wie sie von den revisionistischen reaktionären Tendenzen einer Ablehnung des Dritten Plenums und den Attacken auf die zentrale Führung ausgeht." Ein Wissenschafter [Zhang Xianyang] war auch der Meinung, "bei einem Vergleich zwischen den beiden Strömungen, ist die zweite viel weniger trügerisch, die Leute können das auch gut unterscheiden. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit nur auf den einen Aspekt konzentrieren, werden wir vielleicht bitter dafür bezahlen." Eine kleine Zahl von Leuten widersprach noch der Kritik Deng Xiaopings in seiner Rede, dass das Theorieforum die Vier Grundprinzipien verletzt habe. Auf Parteikonferenzen sei es nämlich erlaubt, in den Debatten abweichende Meinungen zu äußern. Wenn auf dieser Tagung die Delegierten zu einer Debatte über Deng Xiaopings Rede aufgefordert wurden, und sie dann abweichende Meinungen bis hin zu einer Ablehnung äußern durften und sogar in den Briefingpapieren abdruckten, dann ist das nichts anderes als der Ausdruck eines demokratischen Arbeitsstils.
Bedauerlich ist, dass in Bezug auf die grundlegende Frage, ob man an den Vier Grundprinzipien festhalten müsse, einige wenige Theoretiker nach der Konferenz weiterhin in den Zeitungen und in öffentlichen Auftritten einen Ton einschlugen, der offen gegen die Rede Deng Xiaoping, die er als Vertreter der zentralen Führung hielt, gerichtet war. In der "Volkszeitung" hat jemand [Chefredakteur Hu Jiwei, ab 9. Mai auf der Theorieseite] in mehreren Fortsetzungen einen Artikel veröffentlichen lassen [in dem Li Honglin über die Vier Grundprinzipien debattiert], der Zweifel und Ablehnung der Vier Grundprinzipien verbreitete; andere [Wang Ruoshui am 14. August] hatten es eilig, an der Ostchinesischen Pädagogischen Akademie in Shanghai eine Rede zu halten, die Deng Xiaopings These ablehnte, dass das Festhalten an den Vier Grundprinzipien eine grundlegende Vorbedingung ist. Davon ausgehend hat sich eine kleine Minderheit von der Partei immer weiter entfernt, und einige haben sich sogar auf die entgegengesetzte Seite gestellt. (S. 304-305)
Damit legitimiert Cheng Zhongyuan auch den Parteiausschluss und die Jahre später erfolgte Demontage der genannten Delegierten des Theorieforums. Wie gesagt, Hu Yaobang hält ein paar Tage nach Dengs programmatischen Ausführungen die eigentliche Schlussworte. Er windet er sich dabei ziemlich, wagt es aber nicht, Deng zu widersprechen, sondern versucht den Ablauf der Theorietagung schönzureden. Cheng zitiert Hu Yaobang:
Genosse (Deng) Xiaoping habe etwas Kritik an der Theoriearbeit geäußert, "und eine kritische Ansicht ist natürlich etwas anderes als eine Ermutigung, und nichts, was uns in unserer Arbeit mit Hoffnung erfüllt. Er hat strenge, sehr hohe Ansprüche gestellt." Punkt für Punkt hat Hu Yaobang in seiner Schlussrede die kritischen Ausführungen des Genossen (Deng) Xiaoping analysiert, erklärt, dass sie passend sind und eine Wertschätzung für die Theorieverantwortlichen signalisieren. ... Das Theorieforum sei "im Großen und Ganzen erfolgreich gewesen", hat Deng Xiaoping zur erste Phase gemeint, das hat auch Hu Yaobang in seiner "Schlussrede" aufgegriffen und dem zugestimmt. (S.306-308)
Die Kehrtwende
Der Marxismusforscher Zhang Xianyang (张显扬, ebenfalls von der Akademie für Sozialwissenschaften) zählt in seiner detailreichen Darstellung dem Theorieforum (auf chinesisch) die Gründe auf, wieso Deng Xiaoping seine Bewertung der "Mauer der Demokratie" plötzlich um 180 Grad gedreht hat: Zhang spricht von "da renwumen 大人物们" (großen Persönlichkeiten), die ihre Haltung geändert hätten, doch es ist klar, dass damit Deng selbst gemeint ist, der ja am 30. März, zum Abschluss der Tagung, in seiner großen Rede die "Vier Grundprinzipien" festlegt, mit denen jede Kritik an der Führungsrolle der KP, am "sozialistischen System", am Marxismus-Leninismus und sogar an den "Mao-Zedong-Ideen" untersagt wird. Zhang schreibt:
Die Haltung der großen Persönlichkeiten hat sich verändert. Warum? ... Erstens, weil an der Demokratiemauer die Heftigkeit der Kritik an Mao Zedong zugenommen hat, sie erfasste auch sein Privatleben, indem etwa von "Söhnen und Enkeln im gleichen Käfig" die Rede ist; zweitens, an der Demokratiemauer wurde ein Brief an den US-Präsidenten Jimmy Carter, gezeichnet von "einem jungen chinesischen Arbeiter", veröffentlicht, der die Hoffnung ausdrückte, als Freund des Herrn Präsidenten zu einem Besuch in die USA eingeladen zu werden, um zu sehen, wie das amerikanische Volk lebt; drittens, wurde an der Demokratiemauer die sehr sensible Frage der Menschenrechte angesprochen, und die internationale Gemeinschaft aufgefordert, sorgfältig darauf zu achten; und viertens, wahrscheinlich war das das Wichtigste, dass Wei Jingsheng eine Wandzeitung mit dem Titel "Demokratie oder eine neue Despotie" angebracht hat, die Deng Xiaoping namentlich kritisierte und die Menschen vor seinen diktatorischen Tendenzen warnte. Heute wäre das alles kein Vergehen mehr...
Tang Xin (唐欣), ein Reporter der "Pekinger Tageszeitung" (Beijing Ribao 北京日报), nennt noch einen weiteren Grund: Genau in der Zeit, Anfang 1979, bereitete China den militärischen "Straffeldzug" gegen Vietnam vor, das in Kambodscha einmarschiert war. Da brauchte man ganz besonders Einheit und Zusammenhalt. (S. 12)
Wie auch immer, Deng Xiaopings Rede am 30. März 1979 kam jedenfalls einem Machtwort gleich, Deng war zu diesem Zeitpunkt längst die politische Autorität, die niemand mehr in Frage stellen konnte. Die Vier Grundprinzipien waren nach dieser Rede faktisch Gesetz (das auch wenig formell in der Verfassung festgeschrieben wurde). Die innerparteilichen Debatten waren nun weitgehend beendet. Auch für den "Pekinger Frühling" und andere politische Basisinitiativen signalisierte Dengs Rede ein allmähliches Ende, auch wenn es zu den Wahlen 1980 nochmals ein zeitlich und örtlich begrenztes Aufflackern gab. Die dissidente Stimmen verstummten, und als Deng im Frühjahr 1981 alle regimekritischen Aktivitäten verbot und Dutzende führende Dissidenten festnehmen ließ, traute sich kaum ein führender Parteifunktionär mehr dagegen zu protestieren.